Staatsanwalt verteidigt die Anklagen gegen Scientology

SP Times 14 Mai 1999


Staatsanwalt verteidigt die Anklagen gegen Scientology

Die Umstände des Todes des Kirchenmitglieds Lisa McPherson werden vom Gericht als beunruhigend und aussergewöhnlich beschrieben.

Von THOMAS C. TOBIN

© St. Petersburg Times, veröffentlicht 14. Mai 1999

ST. PETERSBURG -- Das Einreichen von Strafanklagen gegen die Scientology Kirche war ein ungewöhnlicher Schritt, gab ein Staatsanwalt von Pinellas am Donnerstag zu.

Er fügte jedoch hinzu, dass die Anklagen durch die einzigartigen Umstände nötig wurden, die 1995 den Tod der Scientologin Lisa McPherson umgaben während sie von Mitarbeitrn der Kirche gepflegt wurde.

"Es ist erstmalig in meiner 23jährigen Tätigkeit, dass ich etwas derart aussergewöhnliches oder beunruhigendes gesehen habe wie die Art in der diese Verstorbene behandelt wurde", sagte der stellvertretende Staatsanwalt Doug Crow von Pinellas-Pasco.

Seine Bemerkungen stammen von der ersten von vielen Anhörung in einem Fall, der am 13. November begann, als der Zweig der Scientology Kirche in Clearwater wegen Missbrauchs einer entscheidungsunfähigen Person und Ausübung medizinischer Tätigkeit ohne Genehmigung angeklagt wurde.

Das Gerichtsverfahren wurde auf den 6. März im nächsten Jahr angesetzt, es wird erwartet, dass es zwei bis fünf Wochen dauert.

Crow antwortete auf die Darstellungen des Scientology Anwalts Sandy Weinberg, der die Hauptrichterin Susan F. Schaeffer darauf hinwies, dass die Anklagen durch die Polizei von Clearwater "religiös motiviert" waren. Das Departement hat, seit die Kirche 1975 Clearwater zu ihrem spirituellen Hauptquartier machte, schon manchmal gegen Scientology ermittelt.

"Es muss ein Grund dafür geben (für die strafrechtliche Verfolgung)", meinte Weinberg. "Wir glauben nicht, dass sie auf Tatsachen beruht."

Weinberg behauptete, dass in der Geschichte der U.S. noch nie eine Kirche für die Handlungen ihrer Mitglieder angeklagt wurde. Er sagte, die Katholische Kirche sei beispielsweise nie strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden für sexuell falsche Handlungen von einigen Priestern.

Die 36jährige McPherson starb in der Obhut von Mitarbeitern der Kirche, die sie während 17 Tagen im Inneren des Fort Harrison Hotels festhielten, einem Zufluchtsort von Scientology im Zentrum von Clearwater. Sie wurde dorthin gebracht um sich von einem Nervenzusammenbruch zu erholen, weil Scientology ihren Mitgliedern die Inanspruchnahme psychiatrische Hilfe streng verbietet.

Die Kirche behauptet, dass die Mitarbeiter einen "introspection rundown" durchführten, ein Verfahren von Scientology, bei dem für psychotisch gehaltene Leute in lautloser, dunkler Isolation gehalten werden damit sie sich beruhigen bevor sie Scientologyberatung erhalten. McPherson widersetzte sich energisch während der meisten Zeit ihres Aufenthaltes.

Weinberg bezeichnete den "introspection rundown" als religiöse Handlung, die durch den "First Amendment" der U.S. Verfassung geschützt ist.

Crow argumentierte jedoch, dass einige der Methoden, die durch die Mitarbeiter während der Isolation angewendet wurden, nichts religiöses an sich haben, einschliesslich das Hineinpressen von Nahrung und Medikamenten in ihren Hals, manchmal mit einer grossen Spritze während sie festgehalten wurde. Crow hielt auch fest, dass sie versuchte sich einen Weg aus der Isolation hinaus zu erkämpfen, dass ihre Verwandten, die keine Scientologen sind, nie benachrichtigt wurden und dass sie zu spät in ein Spital gebracht wurde.

In den diese Woche eingereichten Dokumenten behauptet die Kirche, dass die Aktionen ihrer Mitarbeiter nachlässig und gegen die Richtlinien von Scientology waren. Sie praktizierten einen verfassungsmässig geschützten religiösen Ritus, sagt die Kirche, die praktizierten ihn nur nicht korrekt.

Richterin Schaefer gab zu erkennen, sie werde bei der Vorbereitung des Verfahrens die religiösen Argumente in Berücksichtigung beider Seiten in Betracht ziehen.

Viele Religionen glauben, durch Handauflegung Leute zu heilen, sagte Schaefer. "Ich wuchs in Wahrheit in einer solchen Gruppe auf." Die Richterin erklärte, in der "First Church of God" aufgewachsen zu sein. Sie sagte, dass ihre Mutter festhielt, mehrere Mal auf geistlich Weise geheilt worden zu sein.

Crow entgegnete, dass viele andere Möglichkeiten zur notwendigen Pflege der geistigen Gesundheit von McPherson bestanden ohne gegen den religiösen Glauben von Scientology zu verstossen. Eine hätte darin bestanden, sie früher zu einem Arzt zu bringen, sagte er.

Auch unternahm die Kirche nichts um die Möglichkeit auszuschliessen, dass die Probleme von McPherson rein medizinischer Art waren, betonte er.

"Sie stellen Diagnosen, und dazu sind sie nicht berechtigt", erklärte Crown. "Das sind Leute denen jede Ausbildung fehlt um solche Entscheide zu treffen."

Die Richterin jedoch warnte, dass die Argumente von Crow nicht der Verfassung entsprechen könnten. "Ich möchte keinen Fall verhandeln, bei dem Schritte gegen den religiöse Glaube von irgend jemand in Spiel sind", meinte sie.

Schaeffer erklärte, es könnte auch die Ansicht vertreten werden, McPherson habe aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Kirche ihrer Behandlung im Fort Harrison zugestimmt.

Crow entgegnete: "Weder Einzelpersonen noch Firmen dürfen sich auf ein religiöses Recht stützen um sich mit Praktiken zu beschäftigen, die das Strafrecht verletzen".

Die Anhörung bot eine Vorschau auf die kommenden Monate, da die Kirche eine Verteidigung inszeniert, die sich um eine Vielfalt verfassungsmässiger Belange drehen wird. Im Gerichtssaal sass der Spitzenanwalt der Kirche für "First Amendment" Angelegenheiten, Eric M. Lieberman aus New York, nahe bei den leitenden Angestellten von Scientology aus Los Angeles.

Die Anhörung endete mit einem unbedeutenden rechtlichen Sieg für die Kirche.

Weinberg erklärte, die Anklagen wären unklar und machten nicht klar, wie die angeblichen Straftaten begangen wurden. Schaefer verlangte von Crow, ein Dokument zur Klärung zu erstellen.


Zusätzliche Details zur Anhörung
von Mark Dallara:

Es wurden auch eidestattliche Erklärungen von "Pfarrer" Mike Rinder, "Pfarrer" Richard Reiss, Mary Story und Glen Stilo eingereicht. Rinders winselt in seiner Erklärung über das Stigma, dass dieser Fall über Scientology im allgemeinen brachte. Er weist auf die Tatsache hin, dass die Nachrichtenagenturen dazu neigen darauf hinzuweisen, dass "Scientology angeklagt wurde" statt nur das CoS FSO und fügte Kopien von Artikeln aus der ganzen Welt bei um diesen Punkt zu unterstützen. Er beklagt sich auch ausführlich über die Proteste die auftraten, den Aussagen der Flugblätter und Protestschilder sowie über die Tatsache, dass die Pressekonferenz in Clearwater mit den Worten eröffnet wurde: "Willkommen im besetzten Clearwater". Einmal mehr geben sie vor, die Pointe des Satzes nicht zu verstehen und verdrehen ihn zur Aussage, dass die Demonstranten diejenigen waren, die Clearwater "besetzten" und nicht der Kult, der in den 75ern eindrang.

Die Erklärung von Richard Reiss lässt sich ausführlich über die religiösen Dienstleistungen in Scientology aus. Glen Stilo scheint nur dabei zu sein, um einige Aufzeichnungen des Spitals in die öffentlichen Aufzeichnungen einzubringen, die in der eidesstattlichen Erklärung durch den Agenten Strope ausgelassen wurden, wie die Anmerkung des Arztes, der darauf hinwies, dass Lisa nicht dem "Baker Act" unterstand. [Erläuterung: <http://www.windmoor-healthcare.com/baker.htm>] Und Mary Story beschrieb die "Sozialprogramme" des Kultes. In den Akten war ein Hinweis, dass auch ein Exemplar von "Was ist Scientology?" den Gericht überreicht wurde. Es lagen "Policy Letters" vor, erkennbar an ihrem "rot-auf-weiss" und "grün-auf-weiss". Ich konnte nicht alle notieren, aber der "Introspection Rundown", "Criminals & Psychiatry" und "The Anti-Social Personality" waren darunter.



© copyright SP Times -- Translated into German by Peter Widmer



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