Ein Schrei nach Gerechtigkeit

SP Times 3 März 2000


Ein Schrei nach Gerechtigkeit

Trotz einer Wendung im Autopsiebericht von Lisa McPherson hat der Staatsanwalt immer noch die Pflicht diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die seine Behörde für verantwortlich an ihrem Tod in einem Scientology Hotelzimmer hält.

EDITORIAL

© St. Petersburg Times, 3. März 2000

Die Tragödie von Lisa McPhersons Tod in einem Scientology Hotelzimmer entwickelte sich zur traurigen, verschlungenen Angelegenheit, die laut nach Gerechtigkeit schreit.

Eine unerklärliche Kehrtwende der medizinischen Gutachterin Joan Wood von Pinellas-Pasco zwang die Staatsanwälte zur Überprüfung des Falles und liess Zweifel an Woods Kompetenz aufkommen. Unterdessen ergeben beeidigte Darstellungen von Scientologen ein beunruhigendes Bild von McPhersons letzten Tagen und führen zur Frage: Warum wurde keine Strafanklage gegen Einzelpersonen erhoben?

Unter dem Druck von durch die Scientology Kirche angeheuerten Experten änderte Wood am 16. Februar ihren Autopsiebericht ab. Die Todesart von McPherson wurde von "unbestimmt" in "Unfall" geändert. Wood entfernte ebenfalls eine der Todesursachen ("Bettruhe und schwere Dehydration") und fügte einen neuen bedeutsamen Status hinzu ("Psychose und Folgen von Autounfall").

Obwohl die endgültige Diagnose von Wood, dass McPherson 1995 an einem Blutgerinnsel starb, dass sich von ihrem Bein in die Lunge verlagerte, wurde die neue Version von Vertretern der Scientology schadenfroh begrüsst.

Zwei Strafanklagen gegenüberstehend - Misshandlung eines handlungsunfähigen Erwachsenen und Ausüben von medizinischen Handlungen ohne Bewilligung - sparte Scientology keine Kosten um Zweifel über die Fakten in diesem Fall zu erwecken. Offizielle der Kirche behaupteten, das Blutgerinnsel sei vielmehr durch eine Quetschung verursacht worden, die sie bei einem unbedeutenden Autounfall erlitt als durch die 17tägige Behandlung McPhersons in erzwungener Isolation im Hotel der Kirche im Zentrum von Clearwater. Eine Presseerklärung von Scientology nannte die geänderte Meinung von Woods "äusserst wichtig und eine gewaltige Entwicklung, die das Verfahren des Staates dramatisch beeinflussen wird".

Wood überraschte sicherlich die Staatsanwaltschaft. Der neue Autopsiebericht ist "etwas von grosser Bedeutung, das wir überprüfen müssen", sagte der stellvertretende Staatsanwalt Doug Crow.

Ohne Zweifel, soviel ist klar: Wood schuldet der Bevölkerung von Pinellas County eine Erklärung; und der Staatsanwalt Bernie McCabe muss immer noch diejenigen strafrechtlich verfolgen, die seine Behörde für verantwortlich an McPhersons Leiden und Tod hält.

Der medizinische Gutachter hat das Recht, neue und glaubwürdige Beweise in Erwägung zu ziehen. Aber im Fall McPherson machte Wood entweder einen schwerwiegenden Fehler im ursprünglichen Autopsiebericht oder sie schwächte ihren Entschluss aufgrund des unbeugsamen Drucks durch Scientology ab. Beide Möglichkeiten lassen Zweifel an Woods Kompetenz aufkommen und, weil sie auf Fragen über den geänderten Bericht nicht antwortete, bleibt uns nur Verwunderung.

Es besteht kein Zweifel, dass McPherson durch ihr Scientology "Pflegepersonal" schlechte Dienste geleistet wurde.

In der Folge eines unbedeutenden Autounfalls benahm sich McPherson seltsam und sie wurde in die Notaufnahme eines nahegelegenes Spital gebracht. Andere Scientology Mitglieder holten sie jedoch schnellstens zurück und legten sie in ein Hotelzimmer, wo die psychisch kranke Frau isoliert wurde, ans Bett gefesselt während sie mit hausgemachtem Gebräu zwangsernährt und ihr verordnete Medikament verabreicht wurden, ohne das sie je einen Arzt sah. Nach 17 Tagen, abgemagert und teilnahmslos, wurde McPherson in ein eine Stunde entfernt liegendes Spital eingeliefert. Als ein Arzt sie zu Gesicht bekam, war sie bereits tot.

McCabe bevorzugte es, die Scientology Kirche in Clearwater statt einzelne Mitglieder der Kirche anzuklagen. Diese Entscheidung wirft Fragen auf, wenn man die beeidigten Aussagen verschiedener Scientologen liest:

Alain Kartuzinski, ein ranghoher Mitarbeiter der Kirche, ordnete die Isolation an und verfügte die medizinische Behandlung ohne Zustimmung eines Arztes. Dann belog er die Polizei über seine Beteiligung.

Janis Johnson, eine Medizinoffizierin der Kirche und nicht zugelassene Ärztin, wurde beobachtet wie sie McPherson Injektionen eines rezeptpflichtigen Mittels zur Entspannung der Muskulatur verabreichte, das von keinem Arzt genehmigt war. Sie belog ebenfalls die Polizei.

David Houghton, ein Zahnarzt, half bei der Verabreichung von Medikamenten, einschliesslich der erzwungener Eingabe von aufgelöstem Aspirin und Benadryl durch ihren Rachen mit einer grossen Spritze.

David Minkoff, Kirchenmitglied und Arzt in Pasco Caunty, verschrieb McPherson telefonisch Medikamente ohne Untersuchung der Patientin. Als er sie zu Gesicht bekam, war sie tot.

Das Ändern einiger Worte auf dem Autopsiebericht verändert das tragische Ereigbnis nicht, das sich im verdunkelten Scientology Hotelzimmer abspielte. Was auch immer das Blutgerinnsel verursachte, das McPherson umbrachte, rechtzeitige medizinische Versorgung hätte ihr eine Überlebenschance gegeben.

Unabhängig davon, wieviele Experten die Scientology Kirche anheuert oder wieviel Druck sie auf öffentliche Beamte ausübt, ein Schwurgericht sollte entscheiden ob jemand ein Verbrechen beging beim Tod von Lisa McPherson.



© copyright SP Times -- Translated into German by Peter Widmer



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